Siedlungs- und Verkehrsflächen in Deutschland
Während der vergangenen 60 Jahre haben sich die Ansprüche der Bevölkerung an Siedlungs- und Verkehrsflächen mehr als verdoppelt. Diese Flächen stehen im Gegensatz zur freien, also ungeplanten, nicht festgelegten Fläche. Sie sind durch verschiedenen Nutzungsarten geprägt:
- Wohnbau, Industrie und Gewerbe (ohne Abbauland), Öffentliche Einrichtungen
- Sport-, Freizeit- und Erholungsfläche, Friedhöfe
- Verkehrsflächen: Straßen, Wege, Plätze, Schienen
Aktuelle Daten erhalten Sie online beim Statistischen Bundesamt. Detaillierte Informationen und lange Zeitreihen zur Flächenerhebung können kostenfrei in der GENESIS-Online Datenbank abgerufen werden.
Folgen für die Umwelt
Etwa die Hälfte (46 Prozent) der Siedlungs- und Verkehrsflächen ist versiegelt, das heißt mit Gebäuden oder Anlagen bebaut oder für Fahrbahnen, Parkplätze und Gehwege asphaltiert, betoniert, gepflastert oder verdichtet und anderweitig befestigt. Die Böden verlieren dadurch ihre Fähigkeit, Wasser versickern zu lassen oder zu speichern, was bei Starkregen das Risiko von Überflutungen erhöhen kann. Die Flächen verlieren auch ihre Funktionen für das Kleinklima und können im Sommer die Überhitzung in Städten nicht lindern. Die Versiegelung von Böden zerstört zudem die natürliche Bodenfruchtbarkeit, die sich erst in langen Zeiträumen wieder herstellen lässt.
Daneben hat Zersiedelung weitere direkte und indirekte Umweltfolgen wie:
- Erzeugung von Verkehr mit Kraftstoffverbrauch und Belastungen durch Lärm und Abgase, mehr Staus und der Notwendigkeit die Verkehrswege weiter auszubauen, was wiederum die Zersiedelung erleichtern kann (Teufelskreis),
- erhöhter Energieverbrauch für Heizung, Kühlung und Beleuchtung zusätzlicher Gebäude mit der Folge zusätzlicher klimaschädlicher Kohlendioxid (CO2)-Emissionen,
- höherer Materialverbrauch für die Instandhaltung und Erneuerung von immer mehr Gebäuden und Infrastrukturen und Anstieg damit verbundener Umweltbelastungen,
- Unterstützung des Trends zu immer material- und energieaufwendigeren Wirtschaftsweisen und Lebensstilen,
- Verlust landwirtschaftlicher Flächen und fruchtbarer Böden als Ressource für die Produktion von Nahrungs- und Futtermitteln, Energiepflanzen und nachwachsenden Rohstoffen.
Ökonomische, soziale und städtebauliche Auswirkungen
Auch aus ökonomischer Sicht ist die Fortsetzung der Zersiedelung unvernünftig. Denn wenn die Bevölkerungszahl in Deutschland stagniert oder gar schrumpft, bedeutet die ständige Ausweitung der Siedlungs- und Verkehrsflächen wachsende Kosten pro Kopf der Bevölkerung für die Wartung und Instandhaltung der existierenden Gebäude und Infrastrukturen.
Ökonomisch solider wäre es, alle Anstrengungen auf den Erhalt, die Ertüchtigung und die Pflege des Bestehenden zu richten, anstatt die Bestände weiter auszuweiten. Schon heute gibt es einen enormen Wartungs- und Reparaturstau bei öffentlichen Gebäuden, Straßen, Brücken, Schienenwegen sowie bei Fahrzeugen und Signaltechnik des öffentlichen Nah- und Fernverkehrs, der dringend beseitigt werden müsste. Und auch im privaten Gebäudebestand ist es aus volkswirtschaftlicher Sicht vordringlich, die energetische Sanierung voranzutreiben anstatt zusätzliche Gebäude zu errichten.
In Regionen, in denen die Bevölkerungszahl wegen des demographischen Wandels sinkt, ist es außerdem unumgänglich, durch Stadtumbau nicht mehr benötigte Gebäudebe vom Markt zu nehmen, um angemessene Mieten zu erhalten und die Immobilienpreise zu stützen. Gelingt dies nicht und setzt sich der Verfall der Mieten und Immobilienpreise fort, so wird damit nicht nur die Altersvorsorge von privaten Hauseigentümern gefährdet sondern auch die Kreditwürdigkeit von Wohnungsbaugenossenschaften und Gewerbetreibenden. Dies wiederum erschwert es ihnen, dringende betriebliche Investitionen vorzunehmen. Neubaumaßnahmen, die zusätzlichen Wohn- oder Gewerberaum schaffen, sind in dieser Marktlage kontraproduktiv.
Zersiedelung hat auch negative Auswirkungen auf den sozialen Zusammenhalt der Gesellschaft. In Neubaugebiete ziehen vor allem Haushalte, die sich hohe Mieten oder die Kaufpreise für Eigenheime leisten können. Einkommensschwache und oft zugleich auch bildungsferne Haushalte bleiben in den preiswerteren älteren Quartieren zurück. Kommt es durch massiven Neubau zu einer starken Entmischung der Bevölkerung – wie in den 1990er Jahren – entstehen Problemquartiere, in denen dann vor allem die Bildungschancen der Kinder und Jugendlichen stark beeinträchtigt sind.
Aus städtebaulicher Sicht leiden inzwischen nicht nur die meisten Kernstädte sondern auch viele ländliche Gemeinden unter einem zunehmenden Zerfall der gewachsenen Ortskerne, während an den Rändern die Neubaugebiete wuchern. Auch die Gemeindefinanzen leiden, wenn Straßen und Infrastrukturen im Ortskern unterhalten werden müssen, die ungenutzte Bausubstanz aber keine Steuerzahler beherbergt. Um die „Kernfäule“ zu stoppen und wieder Leben in die Zentren zu bringen sowie die Grundstücke und Gebäude in Wert zu setzen, gilt es zuerst die weitere Zersiedelung zu beenden. Angesichts der interkommunalen Konkurrenz ist es hilfreich, wenn die Regional- und Landesplanung die Kommunen beim Flächensparen unterstützt, indem sie bindende Vorgaben zur Menge der zulässigen Siedlungsentwicklung macht und Innenentwicklung sowie die interkommunale Kooperation auch mit Fördermitteln unterstützt.
Die Brisanz dieser Entwicklung wird durch den demographischen Wandel in vielen Regionen verstärkt.
Wichtige Akteure und Handlungsfelder
Flächensparen ist ein komplexes Handlungsfeld, das viele Akteure und Interessengruppen angeht:
- Vertreter der Planungsebenen in Bund, Ländern, Regionen und Kommunen sowie
- der regionalen Wirtschafts- und Agrarförderung,
- Vertreter der Immobilienwirtschaft, Finanzwirtschaft, Bauwirtschaft,
- Unternehmen, Landwirtschaft und Agrarpolitik, des Umwelt- und Naturschutzes sowie
- jede Bürgerin und jeden Bürger, insbesondere auch die Mieter und die Immobilienkäufer.
Die räumliche Planung hat die Aufgabe, die Menge der Siedlungsentwicklung zu begrenzen und damit einen Rahmen für Innenentwicklung, Brachflächenrecycling und die Aufwertung bestehender Siedlungen zu setzen. Dadurch wird die Lebensqualität in bestehenden Siedlungen erhöht, so dass Menschen dort gerne wohnen. Die Wirtschaftsförderung kann dies mit Fördermitteln gezielt unterstützen.
Auch die Bau- und Immobilienwirtschaft sollte ihre Aktivitäten auf den Erhalt und die Ertüchtigung bestehender Immobilien konzentrieren und die Finanzwirtschaft sollte dies unterstützen. Und nicht zuletzt jeder Mieter und Wohnungskäufer sollte sich fragen, wie viel Fläche er oder sie wirklich benötigt und wo und wie er oder sie diese in Anspruch nehmen möchte.
Umwelt- und Naturschützer sowie Landwirte und Vertreter der Landgesellschaften sollten eng zusammenarbeiten. So können sie vereint dazu beitragen, Freiräume und Landwirtschaftsflächen zu erhalten und vor Zersiedelung zu schützen. In einem gemeinsamen Positionspapier „Entsiegelung bei Neuversiegelung – Eingriffsregelung optimiert anwenden“ ist es gelungen, einen Konsens zwischen Umwelt-, Naturschutz- und Landwirtschaftsverbänden sowie Umweltbundesamt und dem Bundesamt für Naturschutz (BfN) zu erzielen, wie Flächensparen und die Schonung landwirtschaftlich genutzter Böden in der Praxis umgesetzt werden können.
Strategien, Maßnahmen und Forschung
Strategien, Maßnahmen und Forschung des UBA
Das Umweltbundesamt forscht zum Thema Flächensparen und gibt Empfehlungen für strategische Ansätze, Maßnahmen und Instrumente zum Flächensparen und zur Förderung des Flächenrecycling und der Innenentwicklung. Im Rahmen eines Modellversuchs erprobt das Umweltbundesamt auch den Handel mit Flächenzertifikaten.
Strategien und Forschungsprogramme anderer Institutionen
Aus der politischen Forderung, den Flächenverbrauch zu verringern, sind inzwischen auf Bundesebene sowie in einigen Ländern Strategien sowie Forschungs- und Aktionsprogramme geworden. Hervorzuheben ist dabei als Teil der Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung das bundesweite Forschungsprogramm „Forschung für die Nachhaltigkeit (fona)“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Es hat einen Förderschwerpunkt zur Entwicklung und Erprobung innovativer Konzepte für die Reduzierung der Flächeninanspruchnahme. Dieser Förderschwerpunkt „REFINA – Forschung für die Reduzierung der Flächeninanspruchnahme und ein nachhaltiges Flächenmanagement“ wurde inzwischen abgeschlossen. Die Ergebnisse sind in einem Handbuch für die Praxis zusammengefasst.
Die Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Bodenschutz (LABO) hat einen Maßnahmenkatalog für die Umweltministerkonferenz (UMK) erarbeitet, den die UMK den übrigen Fachministerkonferenzen sowie der Bundesregierung und den Kommunen zur Anwendung empfiehlt.
Um die relevanten Akteure für das Flächensparen zu sensibilisieren, über gute Praxisbeispiele zu informieren und auch wichtige Akteure besser zu vernetzen, wurde im Auftrag des UBA eine Internet gestützte Informationsplattform des Bundes entwickelt. Die Entwicklung dieser Informationsplattform für eine zielgruppenspezifische Informationsvermittlung zum Flächensparen haben die Fachministerkonferenzen der Länder sowie die Bundesministerien für Umwelt und Landwirtschaft vorgeschlagen. Im September 2016 wurde www.aktion-flaeche.de von Bundesumweltministerin Dr. Barbara Hendricks und UBA-Präsidentin Maria Krautzberger freigeschaltet. Das Internet-Portal bietet Informationen über Strategien, Instrumente, Werkzeuge und Praxisbeispiele, die auf einen sparsamen Umgang mit der Ressource Fläche zielen. Angesprochen werden Akteure in Städten und Gemeinden – von Kommunalpolitikern über Verwaltungsmitarbeiter/-innen bis hin zu Flächeneigentümern, Zivilgesellschaft, Privatpersonen und vielen anderen. Angeboten werden Fachinformationen darüber, wie Flächensparen vor Ort umgesetzt werden kann. Das Portal ist zugleich ein Angebot der Kommunikation und Vernetzung für Flächenakteure vor Ort, die ihre Aktivitäten einem breiten Personenkreis bekannt machen wollen.