Umwelthormone

Ein Baby sitzt neben Kuscheltieren, es hält einen Ball in der Hand und guckt erwartungsvoll nach oben.zum Vergrößern anklicken
Umwelthormone sind Substanzen, die wie ein Hormon wirken können.
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Seit Anfang der 1990er Jahren gibt es vermehrte Hinweise, dass hormonähnlich wirkende Substanzen die menschliche Gesundheit nachteilig beeinflussen könnten. Was ist dran an dieser Vermutung?

Inhaltsverzeichnis

 

Beeinflussung des Hormonsystems

In den letzten 20 Jahren häufen sich durch tierexperimentelle und epidemiologische Studien die Hinweise, dass Substanzen mit hormonähnlicher Wirkung, die durch eine Vielzahl von Wirkmechanismen in hormonelle Abläufe eingreifen und diese verändern können, zur Zunahme hormonabhängiger Erkrankungen und Gesundheitsstörungen des Menschen beitragen könnten. Diese Substanzen werden als Umwelthormone oder Endokrine Disruptoren (ED) bezeichnet.

 

Zunahme hormonabhängiger Erkrankungen und Abnahme der Fertilität

Durch ihre Fähigkeit hormonelle Vorgänge zu beeinflussen, werden ED als eine mögliche Ursache für das vermehrte Auftreten von hormonabhängigen Tumoren (Prostata-, Hoden- und Brustkrebs), von Stoffwechselerkrankungen (Diabetes mellitus, Adipositas) sowie von Verhaltensauffälligkeiten (Autismus, Aufmerksamkeitsdefizit-(Hyperaktivitäts-)-Syndrom (AD(H)S)) und neurologischen Erkrankungen (Alzheimer, Demenz) diskutiert. Des Weiteren scheinen sie ein früheres Einsetzen der Pubertätsentwicklung, das Auftreten von Fehlbildungen der männlichen und weiblichen Geschlechtsorgane sowie eine abnehmende Fertilität durch eine sinkende Spermienqualität zu begünstigen.

Ergebnisse aus Tierstudien und Beobachtungen beim Menschen zeigen, dass diese sich abzeichnenden Trends zumindest teilweise durch die Wirkung von Umwelthormonen, also Umweltchemikalien, die das menschliche Hormonsystem stören, hervorgerufen sein könnten. Diese Chemikalien werden verdächtigt, in die Entwicklung des Menschen vor der Geburt und in der frühen Kindheit einzugreifen, diese zu stören und somit im späteren Leben zu einer Krankheitsentstehung beizutragen.

 

Erschwerter Zusammenhangsnachweis

Auch wenn Ergebnisse aus wissenschaftlichen Studien einen Zusammenhang zwischen dem Wirken von ED und dem Auftreten bestimmter Erkrankungen nahelegen, wird der endgültige Nachweis des Zusammenhanges durch verschiedene Faktoren erschwert. Beispielsweise können mehrere Jahre oder Jahrzehnte zwischen dem Einwirken des Schadstoffes und der Ausbildung einer Erkrankung liegen oder aber die Wirkung des Schadstoffes führt in den einzelnen Entwicklungsphasen (z. B. vorgeburtliche Entwicklung, Kindes- und Erwachsenenalter) durch eine unterschiedliche Empfindlichkeit des Organismus zu einem jeweils anderen oder aber keinem nachweisbaren Effekt.

 

Vorsorgeprinzip, Forschung und Gesetze

Auch wenn sich das Gefährdungspotential für den Menschen zum jetzigen Zeitpunkt nicht konkretisieren lässt, ist dennoch Vorsicht im Umgang mit ED angeraten.

Auf politischer Ebene sind durch die Chemikaliengesetzgebung bereits viele ED zwar nicht wegen ihrer Hormonaktivität aber aufgrund anderer toxischer Eigenschaften reguliert, also zulassungsbeschränkt oder verboten. Es wird intensiv daran gearbeitet, zusätzlich Kriterien und Testmethoden, die eine hormonelle Aktivität eines Stoffes erfassen, zu entwickeln, um so Substanzen, deren hormonelle Wirkung bislang noch nicht entdeckt oder bisher unterschätzt wurde, ebenfalls zu regulieren.

Auf internationaler Ebene haben unter anderem die Weltgesundheitsorganisation (⁠WHO⁠) und die Europäische Union (EU) die Erstellung umfassender Berichte („Global Assessment of the State-of-the-Science of Endocrine Disruptors“ (WHO, 2002) und „State-of-the-Art of the Assessment of Endocrine Disrupters“ (EU, 2012)) zum aktuellen Wissensstand unterstützt. Diese Berichte sollen helfen, hormonaktive Substanzen zu identifizieren sowie Wissenslücken aufzuzeigen und durch geeignete Forschung zu schließen. Ziel ist es, die Gesundheit des Menschen zu schützen und negative gesundheitliche Auswirkungen abzuwenden.

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