BO-I-4: Temperatur im Oberboden
Monitoringbericht 2023 zur Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel
Monitoringbericht 2023 zur Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel
Bei einer Bodentemperatur von über 5 °C im Oberboden (Tagesmittel) setzen Nährstoffmobilisierung und Entwicklung der meisten Pflanzenarten ein, bei 5 °C und weniger kommen diese Prozesse wieder zum Stillstand. Die Anzahl von Tagen mit einer Bodentemperatur von mehr als 5 °C hat in den zurückliegenden 60 Jahren signifikant zugenommen. Vor allem ein früh einsetzendes und warmes Frühjahr und ein warmer Herbst führen zu hohen Indikatorwerten.
Ebenso wie die Lufttemperatur steigt auch die Bodentemperatur. Dies hat Auswirkungen auf die chemischen und biologischen Prozesse im Boden und die Bodenentwicklung. Die chemische Verwitterung von Gestein läuft bei höheren Temperaturen beschleunigt ab, weil die Temperatur die Reaktionsgeschwindigkeiten und chemischen Lösungsgleichgewichte beeinflusst. Auch die Zersetzung der organischen Substanz erfolgt schneller, da die Bodenorganismen dann aktiver sind.
Die Bodentemperatur bestimmt zudem maßgeblich die Länge der Vegetationsperiode und die Mobilisierung von Nährstoffen im Boden. Wird eine mittlere Tagesttemperatur von 5 °C im Oberboden, konkret in der Tiefenstufe zwischen 5 und 10 Zentimeter, überschritten, setzen die Nährstoffmobilisierung und die Entwicklung der meisten Pflanzenarten ein. Bei Unterschreitung dieser Temperaturschwelle kommen die Entwicklungsprozesse zum Erliegen. Im Tiefland Deutschlands herrschen etwa zwischen Anfang März bis Ende November Bodentemperaturen von über 5 °C im Tagesmittel. Es gibt regionale Unterschiede in Abhängigkeit der Höhenlage und geographischen Breite. In der Regel werden im Jahresverlauf zuerst im Südwesten Deutschlands Werte von 5 °C überschritten. Nachfolgend werden langsam in Richtung Nordosten ebenfalls Werte von 5 °C und mehr im Boden erreicht.
Voraussetzung für die von der Temperatur angetriebenen Prozesse des Stoffumsatzes und der Stoffverlagerung ist eine ausreichende Wasserversorgung der Böden (siehe Indikatoren BO-I-1 + 2). Ist es zu trocken, werden viele chemische Prozesse und das Pflanzenwachstum gehemmt. Gleiches gilt, wenn die Böden wassergesättigt sind und anaerobe Bedingungen herrschen, also Sauerstoff in zu geringer Konzentration oder gar nicht vorhanden ist.
Da die Bodentemperatur direkt von der Sonnenstrahlung abhängt, folgt die Bodentemperatur mit gewisser zeitlicher Verzögerung dem Tages- und Jahresgang der Strahlungsbilanz. Allerdings kann es deutliche Unterschiede zwischen der Luft- und der Bodentemperatur geben. So kann sich unbewachsener Boden bei vergleichsweise trockenen Bedingungen gegenüber der Luft deutlich stärker aufheizen. Feuchte Böden erwärmen sich hingegen langsamer und können auf ihre Umgebung auch eine kühlende Wirkung entfalten. Während sich Böden mit heller Farbe aufgrund des höheren Reflexionsvermögens weniger stark erwärmen, kann die Temperatur in dunkel gefärbten Böden schnell und stark ansteigen. Bewachsene Böden erwärmen sich verzögert und kühlen auch verzögert ab.
Die im Zuge des Klimawandels steigende Bodentemperatur hat Konsequenzen für den Humushaushalt (siehe Indikator BO-R-1). Eine wärmere Bodentemperatur kann aufgrund der daraus resultierenden höheren biologischen Aktivität zu verstärktem Abbau von Humus führen. Dieser Abbau hat nicht nur nachteilige Auswirkungen auf die Kapazität der Böden, Wasser zu speichern und Nährstoffe zu binden, er reduziert auch die Gefügestabilität, was bei gleichzeitig zunehmendem (Regen-) Erosionsrisiko (siehe Indikator BO-I-3) problematisch ist.
Die Bodentemperatur ist wichtigster Treiber der Bodenatmung. Deren Anstieg führt zu einer zusätzlichen CO2-Freisetzung aus den Böden, wodurch sich positive Rückkoppelungseffekte auf eine weitere Verstärkung der Erderwärmung ergeben können. Ein Temperaturanstieg kann allerdings auch die Bindung von Kohlenstoff aus der Atmosphäre im Boden fördern, denn mit der höheren Temperatur und der damit verbundenen längeren Vegetationsperiode bilden die Pflanzen bei ausreichendem Wasserangebot unter Verbrauch von CO2 aus der Atmosphäre mehr Biomasse, und es wird mehr Kohlenstoff im Boden eingelagert. Auf diese Weise kann es auch – gegenläufig zum oben beschriebenen Humusabbau – zur Humusmehrung kommen. In Anbetracht dieser komplexen, teilweise auch gegenläufigen Entwicklungen wird deutlich, dass aus einer veränderten Bodentemperatur keine einfachen Rückschlüsse auf mögliche Prozessveränderungen im Boden möglich sind.
Die Messdaten, die dem Indikator zugrunde liegen, stammen von standardisierten Messfeldern des DWD. Diese werden ständig bewuchsfrei gehalten. Eine direkte Übertragung der Messergebnisse auf die Bodenbedingungen von landwirtschaftlichen Nutzflächen oder gar Waldböden ist daher nicht möglich. Der Indikator bildet die Anzahl von Tagen ab, an denen die Schwelle von 5 °C mittlerer Tagestemperatur im Oberboden überschritten wurde. Der bundesweite Wert ist über 15 Stationen gemittelt, die geographisch über Deutschland verteilt sind. Dieses bundesweite Mittel ist in den letzten 60 Jahren signifikant gestiegen. Gab es im Mittel der Jahre 1961–1990 noch 242 Tage mit über 5 °C im Jahr, waren es im Zeitraum 1991–2020 bereits 260 Tage. Einen statistischen Bruchpunkt in der Zeitreihe gibt es aber nicht. Der Anstieg verlief vergleichsweise kontinuierlich. Allerdings schwanken die Werte deutlich von Jahr zu Jahr. Zu hohen Werten kommt es vor allem dann, wenn der Herbst lange warm und trocken war (siehe Indikator BD-I-1) und die Wärme lange im Boden konserviert wurde. Hohe sommerliche Lufttemperatur hat keine Bedeutung für den Indikatorverlauf. Dies macht das Jahr 2018 deutlich. In diesem Jahr wurde mit 10,5 °C die bis dahin höchste Lufttemperatur im Jahresmittel gemessen. Die Anzahl der Tage mit einer mittleren Bodentemperatur von über 5 °C war mit 259 Tagen aber vergleichsweise gering. Dies liegt daran, dass der Winter 2017/2018 vergleichsweise niederschlagsreich war. Das heißt, die Böden starteten mit hohen Wassergehalten ins Frühjahr und benötigten entsprechend lange, um sich aufzuwärmen. Das Jahr 2020 zeigt hingegen deutlich höhere Indikatorwerte. Der Winter 2019/2020 war im Deutschlandmittel zwar ebenfalls sehr nass, aber es war der zweitwärmste Winter seit Aufzeichnungsbeginn 1881. Auf diesen Winter folgte ein extrem sonniger und viel zu trockener Frühling. Dies führte zu einer raschen Bodenerwärmung, sodass im Jahr 2020 die Anzahl der Tage mit einer mittleren Bodentemperatur von über 5 °C um 20 höher lag als im Jahr 2018.
Für die landwirtschaftliche Bewirtschaftungsplanung ist die Bodenerwärmung im Frühjahr von großer Bedeutung, denn sie bestimmt wesentlich über die Aussaatzeitpunkte der Sommerkulturen (siehe Indikator LW-R-1).