DAS-Handlungsfeld Fischerei

Das Bild zeigt einen Krabbenkutter auf der Nordsee. An der Seite des Schiffs hängt die Baumkurre. Im Hintergrund ist die Küste mit einem Leuchtturm zu erkennen.zum Vergrößern anklicken
DAS-Handlungsfeld Fischerei
Quelle: Rico Ködder / stock.adobe.com

Monitoringbericht 2023 zur Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel

Inhaltsverzeichnis

 

Zur Bedeutung des Handlungsfelds

Wirtschaftlich haben die Seefischerei (Hochsee- und Küstenfischerei) und Binnenfischerei (See- und Flussfischerei, Aquakulturen, Teichwirtschaften und Angelfischerei) in Deutschland nur regional eine große Bedeutung. Die Eigenproduktion der deutschen See- und Binnenfischerei deckt einen Anteil von rund 11 % der Inlandsnachfrage. Importe haben somit eine weitaus größere Bedeutung für die Versorgung des deutschen Markts. Die Aquakultur ist sowohl hinsichtlich der Produktionsmenge als auch der erzielten Erlöse der ertragsreichste Sektor. An den Küstengebieten ist die Seefischerei jedoch eine bedeutende Arbeitgeberin. Außerdem sind die See- und Binnenfischerei sowie die Teichwirtschaften ein kulturelles Erbe, das nicht zuletzt auch von touristischer Bedeutung ist.
Aktuell stehen die See- und Binnenfischerei vor großen Herausforderungen, inklusive strenger Naturschutzauflagen. Speziell für die Seefischerei kommen die teils ungünstigen Bestandszustände und der Verlust von Fanggebieten durch den Brexit hinzu. Der ⁠Klimawandel⁠ und damit veränderte Lebensbedingungen für Fische und andere Wasserlebewesen erhöhen zusätzlich den Druck auf Bestände und Unternehmen.
Insbesondere die Fischerei – also der Fang wildlebender Fische – ist wie die Land- und Forstwirtschaft unmittelbar von der Verfügbarkeit und Regenerationsfähigkeit der natürlichen Ressourcen abhängig. Verändern sich Fischbestände in ihrer Größe und räumlichen Lage, und gibt es Veränderungen in den Artengemeinschaften und dem Nahrungsangebot, hat dies unmittelbar Auswirkungen auf die (Produktions-)Bedingungen für die Fischerei. Teichwirtschaften und Aquakulturen bestimmen die Artenzusammensetzung selbst, sind aber auf eine ausreichende Verfügbarkeit von Frischwasser und somit auch auf natürliche Ressourcen angewiesen.
Nachhaltigkeit⁠ ist auf europäischer und nationaler Ebene ein Grundsatz der Fischereipolitik. Er bezieht sich hier nicht nur auf die langfristige Erhaltung der Fischbestände, sondern auch auf die Aufrechterhaltung des Handwerks der Fischerei. Es ist beispielsweise erklärtes Ziel der Bundesregierung, die kleine Hochsee- und Küstenfischerei in Deutschland zu bewahren82, 82.

 

DAS-Monitoring – was im Klimawandel passiert

Das Wasser in Meeren, Flüssen, Seen und Teichen wird wärmer. Da Fische – wie alle wechselwarmen Lebewesen – besonders eng an bestimmte Temperaturbereiche gebunden sind, hat die Wassertemperatur direkten Einfluss darauf, wie gesund und wie groß die Bestände sind. Wird das thermische Optimum einer Art überschritten, geraten Fische und auch andere Wasserlebewesen in Stress. Das macht sie anfälliger für Krankheiten. Gibt es Möglichkeiten der Migration, weichen die Tiere in Regionen aus, die ihren thermischen Ansprüchen besser entsprechen. Migrationsbewegungen können auch zustande kommen, wenn sich die Nahrungsquellen der Fische und anderer Meeresfrüchte (essbare Meerestiere, die keine Wirbeltiere sind) räumlich verschieben, etwa weil eine kleinere Art ihrem thermischen Optimum folgend nordwärts wandert und die Jäger folgen. Jäger und Beute können zudem zeitlich voneinander entkoppelt werden, ein sogenannter „Mismatch“. Dies passiert, wenn sich aufgrund der zunehmenden Temperaturen die Phänologie einer der Arten so verändert, dass die Beute nicht mehr zu dem Zeitpunkt zur Verfügung steht, wenn die Jäger sie brauchen.
Infolge der Erwärmung der Meere (siehe ⁠IndikatorKM-I-1) verschieben sich die Lebensräume der Arten nach Norden. Dies gilt insbesondere in der Nordsee, einem offenen Randmeer des Atlantiks. Bisher in den deutschen Fangregionen heimische Arten wandern in die nordischen Gewässer aus und Arten aus südlicheren Gewässern, sogenannte lusitanische Arten, rücken nach (zu den lusitanischen Arten siehe Indikator FI-I-1).
Die in der Ostsee heimischen Arten haben kaum Möglichkeiten der Abwanderung. Sie sind in der Regel an die spezifischen Bedingungen dieses vergleichsweise abgeschlossenen, kleinen Meeres angepasst. Doch auch hier verändern die zunehmenden Wassertemperaturen die Bestände, beispielsweise indem sie Nahrungsketten entkoppeln. Der Heringsbestand in der westlichen Ostsee ist gefährdet, weil er früher laicht und seine Larven zu wenig Nahrung haben (siehe Indikator FI-I-2). Bräche dieser Bestand zusammen, würde dies das gesamte ⁠Ökosystem⁠ der Ostsee deutlich verändern.
In den Flussläufen erfolgen bei einer Erwärmung (siehe Indikator WW-I-10) Migrationsbewegungen nicht nach Norden, sondern – sofern es die Bedingungen erlauben – flussaufwärts. Verlierer des Klimawandels sind hier vor allem die kälteliebenden Arten, die schon jetzt die Oberläufe besiedeln und daher den zunehmenden Temperaturen nicht ausweichen können. Gleiches gilt für Seen und Teiche, in denen Möglichkeiten der Migration per se gering sind oder gänzlich fehlen. Wärmeliebende Arten hingegen können profitieren, wie das Beispiel des Karpfens im Bodensee zeigt (siehe Indikator FI-I-3).
In der Binnenaquakultur werden mit Blick auf die Folgen des Klimawandels vor allem Engpässe bei der Wasserverfügbarkeit zur Bewirtschaftung von Teichanlagen diskutiert. Nachteilige Auswirkungen können auch die steigenden Wassertemperaturen sowie Starkniederschläge und Hochwasser haben. Insbesondere für die auf schwebstofffreies und sauerstoffhaltiges Wasser angewiesene Zucht von Salmoniden wie Forellen und Saiblingen sind damit potenziell Probleme verbunden.

 

Die künftigen Klimarisiken – Ergebnisse der KWRA

Die Analysen und Bewertungen der Klimawirkungs- und Risikoanalyse 2021 im Handlungsfeld „Fischerei“ haben für die Mitte des Jahrhunderts mit hoher Gewissheit ein hohes ⁠Klimarisiko⁠ bei der Entkopplung von Nahrungsbeziehungen in der Ostsee festgestellt. Auch hier steht der Hering im Fokus. Hoch könnte auch das Risiko für die Fischerei sein, wenn sich die Verbreitung von Fischarten in Fließgewässern bis zur Mitte des Jahrhunderts in relevantem Maß verändert. Für das Ende des Jahrhunderts wird auch bei der ⁠Klimawirkung⁠ Stress durch Schädlinge und Krankheiten in Binnengewässern und Aquakulturen ein hohes Klimarisiko gesehen, in diesem Fall jedoch mit noch sehr geringer Gewissheit.
Ein mittleres Risiko besteht laut KWRA für die Mitte und das Ende des Jahrhunderts für Verluste für die Fischerei dadurch, dass sich wärmeliebende Arten zunehmend in der Nordsee etablieren und sich damit einhergehend das ⁠Ökosystem⁠ verändert. Auch dass die Aquakulturen im Binnenland Schaden nehmen, unterliegt der Studie nach einem mittleren Risiko.

 

Wo haben wir Daten- und Wissenslücken?

Die Folgen des Klimawandels auf die Fischbestände sind Gegenstand aktueller Forschung, wobei noch zahlreiche Fragen offen sind. Einzelne Bestände oder Regionen werden teils intensiv beforscht, etwa der Hering in der westlichen Ostsee. Ein umfassender Überblick aber fehlt noch. So stehen die im Monitoringbericht abgebildeten Indikatoren beispielhaft für verschiedene Wirkpfade, die mit der Erderwärmung einhergehen: Verschiebung von Lebensräumen, Entkopplung von Nahrungsbeziehungen, Begünstigung wärmeliebender Arten. In Anbetracht der großen Vielfalt der Meeresökosysteme und der Ökosysteme der Binnengewässer bilden die bisherigen ⁠Indikator⁠-Darstellungen jedoch nur einen kleinen Ausschnitt möglicher Klimawirkungen ab.
Im Binnenbereich fehlen bisher bundesweite Erhebungen etwa zu den Temperaturansprüchen und Verbreitungsgebieten der in den deutschen Flüssen heimischen Arten. Auch das Auftreten von Fischkrankheiten wird hier bisher nicht zentral dokumentiert. Die Entwicklung eines bundesweiten Indikators zu diesen Themen war daher für diesen Monitoringbericht nicht möglich. Gleiches gilt für Schäden infolge von Austrocknung oder Überschwemmung von Teichanlagen. Das Fehlen von Daten in zentralisierter Form, die Klimawirkungen auf Fischereien und Aquakulturbetriebe erkennen lassen, liegt auch an den stark dezentralen und kleinteiligen Produktionsstrukturen in diesem Wirtschaftsbereich.
Ähnlich ist die Situation in der Seefischerei. Vor allem in der Küstenfischerei dominieren sehr kleinteilige Produktionsstrukturen. Zudem sind die Seefischer*innen der Nordsee weniger stark als ihre Kollegenschaft im Binnenbereich an spezielle Zielarten und Fanggebiete gebunden. Das erschwert die Einschätzung der Klimawirkungen auf die Betriebe zusätzlich.
Im Handlungsfeld „Fischerei“ fehlen Response-Indikatoren, was ebenfalls zum Teil auf die kaum zentralisierte Datenhaltung zurückzuführen ist. Im Bereich der Seefischerei kommt die Einhaltung strenger politischer Vorgaben erschwerend hinzu. So bestimmen etwa die Ergebnisse jährlicher internationaler Verhandlungen, wo und wie viel Fisch die deutsche Flotte fangen darf. Dies erschwert die Planungen für eine gezielte Anpassung der Fischereibetriebe und damit auch die Ausarbeitung eines Response-Indikators, der spezifische Anpassungsreaktionen abbilden könnte.

 

Was getan wird – einige Beispiele

In der Fischerei kann Klimawandelanpassung auf zwei Wegen erfolgen: verstärkter Schutz der Fischbestände und Anpassen der Unternehmen an die veränderten Produktionsbedingungen. Für den Schutz der Fischbestände ist entscheidend, den anthropogenen Druck deutlich zu verringern. Dies bedeutet, dass weniger gefischt wird, aber auch, dass andere Belastungen wie Einträge von Schadstoffen oder ⁠Eutrophierung⁠ reduziert sowie Revitalisierungsmaßnahmen an Binnengewässern durchgeführt werden.
In der Seefischerei geben Fangquoten vor, wo und wie viel Fisch gefangen werden darf. Die Quoten sind Ergebnis eines politischen Aushandlungsprozesses auf europäischer Ebene. Wie oben angesprochen sind die Fangmöglichkeiten in der Nordsee und im Nordostatlantik das Ergebnis internationaler Verhandlungen, vor allem mit dem Vereinigten Königreich und mit Norwegen. Der International Council for the Exploration of the Sea (ICES) veröffentlicht jährlich vor Festlegung der Fangquoten wissenschaftliche Empfehlungen, wie hoch diese für die einzelnen Bestände sein sollten, um deren nachhaltige Reproduktion sicherzustellen. Wissenschaftler*innen der Thünen-Institute (TI) für Seefischerei und für Ostseefischerei gehören zum wissenschaftlichen Beratungsteam. Sie forschen zu den marinen Ökosystemen und liefern wichtige Erkenntnisse, die Grundlage der wissenschaftlichen Empfehlungen sind. Die politische Verantwortung für die deutsche Seefischerei liegt im Ressort des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (⁠BMEL⁠). Das BMEL vertritt entsprechend Deutschland bei den Verhandlungen um die Fangquoten. Das Prinzip des höchstmöglichen Dauerertrags (MSY) und der Vorsorgeansatz sind dabei seit 2013 zentrale Ziele für die Bewirtschaftung der Bestände. Insgesamt hat sich die ⁠Nachhaltigkeit⁠ der Fischereien, insbesondere im Nordostatlantik, verbessert. Dennoch wird immer noch nicht in allen Fällen den wissenschaftlichen Empfehlungen für Quotenausweisungen gefolgt, und viele Fischbestände haben sich bislang von den Folgen der Überfischung nicht erholen können. Dies gilt insbesondere für das Schwarze Meer und die Ostsee. Dazu kommen Datendefizite und die Auswirkungen auf des Klimawandels unter anderem auf die Verfügbarkeit von Nahrungsfischen.
Mit Blick auf die kritische Lage der Ostseefischerei hat das BMEL im November 2022 eine Leitbildkommission zur Zukunft der deutschen Ostseefischerei ins Leben gerufen. Sie soll ein Leitbild für eine nachhaltige und zukunftsfeste deutsche Ostseefischerei entwickeln und konkrete Maßnahmen zu dessen Umsetzung vorschlagen83. Hintergrund ist die anhaltend kritische Bestandssituation bei Dorsch und Hering und der daraus folgende Wegfall wichtiger Fangmöglichkeiten. Das BMEL sieht die Notwendigkeit einer Neuausrichtung der Ostseefischerei, um diese erhalten zu können. Zum Strukturwandel in der Küstenfischerei an Nord- und Ostsee forschen die TI für Seefischerei und Ostseefischerei.
Mit seiner „Agenda Anpassung von Land- und Forstwirtschaft sowie Fischerei und Aquakulturen an den Klimawandel“ (AMK)84 und dem zugehörigen Maßnahmenprogramm85 adressiert das BMEL sowohl Seefischerei als auch Binnenfischerei und Aquakultur. Letztere liegen politisch im Verantwortungsbereich der einzelnen Bundesländer, mit der Agenda wirbt das Ministerium aber explizit für eine engere Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern. Die Agenda ist Teil des Aktionsplans Anpassung III der ⁠DAS⁠ (⁠APA⁠ III) und regt beispielsweise neue Zuchtziele an, etwa die Anpassung an höhere Temperaturen oder die Senkung von Gesundheitsrisiken aufgrund veränderten Parasiten- und Erregerdrucks. Auch Verschattung wird als mögliche Anpassung für Binnengewässer und Aquakulturanlagen diskutiert. Die Klimaanpassung der Seefischerei und des fischereilichen Sektors im Binnenland soll unterstützt werden, indem der Wissenstransfer aus der Wissenschaft in die Praxis gefördert und ein von Bund und Ländern betriebenes nationales Informations- und Datenportal eingerichtet wird. Vorgeschlagen wird auch die Einsetzung einer permanenten Arbeitsgruppe von Bund und Ländern, um die ordnungs- und förderpolitischen Rahmenbedingungen der Klimaanpassung zu überprüfen und Vorschläge zu deren Anpassung zu erarbeiten.
Da die Binnenfischerei Ländersache ist, betreiben mehrere Bundesländer wissenschaftliche Institute, die sich unter anderem mit den Folgen des Klimawandels auf Fischbestände in Fließgewässern und den fischereilichen Sektor im Binnenland beschäftigen. Die Bemühungen, einen bundesweiten Überblick über dieses Thema zu erarbeiten, stehen aber noch ganz am Anfang. Die AMK kann ein Ansatzpunkt sein, die bundesweite Zusammenarbeit in diesem Bereich zu intensivieren.
Letztlich ist es Aufgabe der fischereilichen Betriebe an der Küste und im Binnenland, sich auf die Veränderungen der Produktionsbedingungen vorzubereiten, mit diesen umzugehen und die richtigen innerbetrieblichen Entscheidungen für Anpassungsmaßnahmen zu treffen. Diese können die Fangmethoden, den Zeitpunkt und (begrenzt) den Ort des Fischens, die Zielarten sowie das Bewirtschaften von Aquakulturanlagen und Teichen betreffen. Die öffentliche Hand kann und sollte jedoch günstige Rahmenbedingungen hierfür gestalten.

 

82 - Bundesregierung (Hg.) 2021: Mehr Fortschritt wagen. Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit. Koalitionsvertrag 2021 – 2025 zwischen der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD), BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN und den Freien Demokraten (FDP). https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/koalitionsvertrag-2021-1990800.

82 - Deutscher Bundestag (Hg.) 2022: Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Stephan Protschka, Peter Felser, Frank Rinck, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der AfD. Erhalt der Fischerei an Deutschlands Küsten. https://dserver.bundestag.de/btd/20/007/2000788.pdf

83 - BMEL – Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft / Leitbildkommission zur Zukunft der Ostseefischerei: https://www.bmel.de/DE/themen/fischerei/leitbildkommission-ostseefischerei.html

84 BMEL (Hg.) 2019: Agenda Anpassung von Land- und Forstwirtschaft sowie Fischerei und Aquakultur an den Klimawandel. https://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/DE/_Landwirtschaft/AMK-12-04-19-Agenda-Anpassung-Klimawandel.pdf

85 BMEL (Hg.) 2020: Maßnahmenprogramm zur Umsetzung der Agenda Anpassung von Land- und Forstwirtschaft sowie Fischerei und Aquakultur an den Klimawandel. https://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/DE/_Landwirtschaft/Klimaschutz/ma%C3%9Fnahmenprogramm-klimaanpassung.html

Teilen:
Artikel:
Drucken
Schlagworte:
 Anpassung an den Klimawandel  KomPass  Monitoringbericht  Handlungsfeld Fischerei