Verhalten und Verbleib von Chemikalien in aquatischen Systemen
Verhalten und Verbleib des Antifoulingmittels Irgarol im Wasser und im Sediment fließender und stehender Gewässer
Irgarol 1051® (2-[tert.-Butylamino]-4-[cyclopropylamino]-6-methyltio-s-triazin) ist ein Aufwuchshemmer, der nach dem EU-weiten Verbot von Tributylzinn (TBT) zunehmend als Biozid in Antifoulinganstrichen für Schiffsrümpfe eingesetzt wurde. Irgarol hemmt die Photosynthese und ist deshalb hoch toxisch für höhere Pflanzen, Algen und Aufwuchsorganismen. Darüber hinaus hat sich Irgarol in aquatischen Systemen als schwer biologisch abbaubar (persistent) erwiesen.
Vor diesem Hintergrund führten hohe Belastungen von Wasser und Sediment im Küstenbereich (vorwiegend in Häfen und Marinas) zu Anwendungsbeschränkungen oder Verboten von Irgarol-haltigen Bootsanstrichen in Dänemark, Schweden, Niederlanden und Großbritannien. Für Binnengewässer wurde in allen 4 Staaten ein generelles Anwendungsverbot für biozidhaltige Antifoulinganstriche erlassen. Bis auf regionale Verbote zum generellen Einsatz von biozidhaltigen Antifouling gibt es in Deutschland - außer für TBT - keine Anwendungsbeschränkungen.
Bisher liegen nur wenige Literaturdaten zur Exposition über Irgarol im Süßwasserbereich vor. Bekannt sind Maximalkonzentrationen von 0,145 µg/L im Genfer See. Bei aktuellen Messungen des Umweltbundesamtes konnte Irgarol in Gewässerabschnitten mit höherem Sportboothafenanteilen bis zu 0,23 µg/L in der Müritz (Mecklenburg-Vorpommern) nachgewiesen werden. Insgesamt liegen aber für den Süßwasserbereich nur sehr wenige Daten zum Verbleib von Irgarol und seiner Abbauprodukte (Metaboliten) vor.
Zur Schließung dieser Wissenslücken wurde in der Fließ- und Stillgewässersimulationsanlage (FSA) des Umweltbundesamtes ein Fließgewässer-Mesokosmos einmalig mit Irgarol dotiert und seine Verteilung, sein Verbleib sowie seine Metabolitenbildung analytisch verfolgt.
Der Rückgang von Irgarol im Wasser lässt sich mit einem Abbau-Modell 2. Ordnung beschreiben (R²: 0,98). Mindestens 2 parallele Prozesse können für den Rückgang im Freiwasser verantwortlich sein:
- eine rasche Eliminierung wie z.B. Sorption an organische Partikel, die mit einer schnellen Akkumulation im Sediment einhergeht und
- eine langsame Eliminierung, die auf zeitabhängige Prozesse wie Bioabbau oder photolytische Prozesse hindeutet und mit der Bildung des Metaboliten M1 einhergeht.
Entsprechend lag die DT50 für Irgarol im Wasser zu Beginn der Dotierung bei 8 d, stieg im weiteren Verlauf der Studie auf > 32 d an. Insbesondere bei Konzentrationen <0,2 µg/L scheint der Rückgang noch weiter verlangsamt.
M1 wird u. a. durch Abbauprozesse wie UV-Einwirkung aus Irgarol gebildet und wies im Sommer nach Eisbruch kaum einen Rückgang in Wasser und Sediment auf. Damit zeichnet sich für M1 eine noch größere Persistenz ab als für die Muttersubstanz.
Im Rahmen einer EU-weiten Risikobewertung wird über den zukünftigen Einsatz von Irgarol als biozider Antifoulingwirkstoff im Rahmen der Biozid-Richtlinie 98/8/EC in den nächsten Jahren entschieden. Diese Studie liefert hierzu für den Binnenbereich einen inhaltlichen Beitrag.