GE-I-4: Belastung mit Ambrosiapollen
Monitoringbericht 2023 zur Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel
Monitoringbericht 2023 zur Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel
Die Ausbreitung und Etablierung der Ambrosie wird vermutlich durch den Klimawandel begünstigt. Noch zeigen die Ergebnisse der Pollenmessungen keine signifikanten Trends. Es gab aber Belastungsschwerpunkte, an denen – bedingt durch Ferntransporte und / oder lokale Pflanzenbestände – die Pollenkonzentrationen deutlich höher waren als der entsprechende regionale Mittelwert. Die jeweils maximalen Jahressummen traten meist in der Region Ost auf.
Neben den heimischen allergenen Pflanzen werden mit wärmeren Witterungsbedingungen auch Pflanzenarten als Allergenproduzenten relevant, die bisher in Deutschland nicht vorkamen oder nur sehr vereinzelte Vorkommen hatten. Ein außerordentlich hohes allergenes Potenzial hat zum Beispiel das ursprünglich aus Nordamerika stammende Beifußblättrige Traubenkraut, kurz Ambrosie (Ambrosia artemisiifolia). Die Ambrosie kam in Deutschland lange nur relativ selten und unbeständig vor. Erst seit Anfang der 1990er-Jahre nehmen die Bestände zu. Heute kommt die Ambrosie in allen Bundesländern vor und bildet in Ostdeutschland örtlich auch schon größere, etablierte Bestände mit vielen tausend Pflanzen. Die Pflanze wächst in Gärten, auf nicht genutzten oder brach gefallenen Flächen, Äckern und Schnittblumenfeldern, landwirtschaftlichen Stilllegungsflächen, Baustellen sowie an Straßen- und Wegrändern. Als Ursache der Ausbreitung könnten Verunreinigungen von Wildacker- oder Blumensaaten und von Vogelfutter mit Ambrosiasamen eine Rolle spielen, außerdem der Transport von Erde aus befallenen Gebieten im Zuge von Baumaßnahmen oder das Anhaften an landwirtschaftlichen Maschinen oder an Mähgeräten, die an Straßenrändern eingesetzt werden. Um einer Ausbreitung unter anderem über Vogelfutter entgegenzuwirken, wurden im Jahr 2011 Höchstgehalte für unerwünschte Ambrosiasamen in Futtermitteln in einer EU-Verordnung festgesetzt.
Dass sich die Ambrosie in Deutschland ausbreiten und etablieren kann, wird aber in relevantem Umfang auch mit dem Klimawandel in Verbindung gebracht, denn die einjährige Pflanze erreicht die zur Verbreitung erforderliche Samenreife nur in warmen oder gemäßigten Klimaten mit milden Herbstmonaten. Für andere wärmeliebende Pflanzen mit hoch allergenen Pollen wie das Glaskraut (Parietaria officinalis, P. judaica) oder den Olivenbaum (Olea europaea) gibt es ähnliche Befürchtungen hinsichtlich Ausbreitung und Etablierung.
Die Pollen der Ambrosie können bei sensibilisierten Personen bereits bei geringen Pollenkonzentrationen allergische Symptome und bei bis zu einem Viertel der betroffenen Allergiker*innen Asthma auslösen23. Ferner wird von seltenen Hautreaktionen nach Hautkontakt mit dem Blütenstand oder anderen Pflanzenbestandteilen berichtet. Hinzu kommt, dass sich mit der Etablierung der Ambrosie die Pollenflugzeit bis in den Oktober hinein verlängert24, da die Pflanze zu den Spätblühern zählt. Durch die zeitliche Ausweitung der Pollenflugzeit verlängert sich auch die Beschwerdezeit. Dies bedeutet eine zusätzliche Belastung für Menschen, die unter Allergien leiden.
Ambrosiapollen werden – wie Pollen von heimischen Pflanzen – in Deutschland zu einem Großteil mit Pollenfallen im PID-Messnetz erfasst. Die hier dargestellte Zeitreihe beruht auf Erhebungen an bundesweit 50 PID-Stationen. Wie im Falle der Birkenpollen (siehe Indikator GE-I-3) liefern nicht alle Stationen in allen Jahren Daten, sodass die Mittelwerte aus einer sich von Jahr zu Jahr ändernden Anzahl von Pollenfallen gebildet werden.
Die Pollenkonzentrationen der Ambrosie in Deutschland sind derzeit gering und liegen im Mittel aller bisherigen Messungen bei rund 25 Pollen pro Kubikmeter Luft pro Jahr. Zum Vergleich: Bei der Birke sind es 6.800 Pollen pro Kubikmeter Luft pro Jahr. In einzelnen Jahren können allerdings an einzelnen Stationen Werte auftreten, die bis um das 20-Fache höher liegen als der genannte Mittelwert. Die Stationen, die in den einzelnen Jahren Spitzenwerte liefern, liegen in deutlicher Überzahl im östlichen Teil Deutschlands. Für diese hohen Pollenkonzentrationen sind in relevantem Umfang auch Ferntransporte aus stärker belasteten Nachbarländern verantwortlich. Der bisherige Spitzenwert von 436 Pollen pro Kubikmeter Luft und Jahr wurde im Jahr 2014 in Dresden gemessen.
Statistisch signifikante Trends gibt es bisher nicht. Dies gilt für alle Regionen. Die regionalen Mittelwerte liegen im Osten aufgrund der oben beschriebenen Beeinflussung durch östliche Nachbarländer in der Regel über denen der anderen Regionen. Eine Sonderrolle nimmt die Region um Drebkau im südöstlichen Brandenburg ein: Sie stellt einen regionalen Ambrosia-Hot-Spot dar, der durch die hier gezeigten Pollendaten nicht abgebildet wird. Die deutschlandweit hohen Konzentrationen von Ambrosia-Pollen im Jahr 2014 wurden verursacht durch einen langanhaltenden Fernflug von Pollen aus der ungarischen Tiefebene während der Blütezeit der Ambrosie, der durch eine Wetterlage mit südöstlicher Strömung verursacht war. Ein solcher Süd-Ost-Wind gehört zu den eher seltenen Witterungsphänomenen. In Ungarn und umgebenden Ländern, insbesondere der Slowakei, Rumänien, Serbien, Bosnien-Herzegowina und Kroatien, ist die Ambrosie besonders stark verbreitet. Von diesen Ländern können die sogenannten „Fernflüge“ der Pollen ausgehen.
Die gemessene Pollensumme erlaubt keine gesicherten Rückschlüsse auf das Risiko der Bevölkerung, tatsächlich mit den Pollen in Kontakt zu kommen oder eine Sensibilisierung oder allergische Reaktionen zu entwickeln. Dennoch sollte aus Gründen der Vorsorge unter Beachtung der Verhältnismäßigkeit alles getan werden, um die weitere Ausbreitung von Ambrosia-Arten in Deutschland zu unterbinden. Für die direkte Bekämpfung von Ambrosia und die Eliminierung von Ambrosia-Beständen stehen vor allem mechanische Möglichkeiten zur Verfügung. Am effizientesten ist das systematische Ausreißen der einjährigen Pflanzen im Juni, da sie sich in dieser Zeit gut erkennen und von anderen Arten unterscheiden lassen und noch keine Pollen freisetzen. Ist eine solche manuelle Bekämpfung nicht möglich, muss zwischen Juni und September in regelmäßigen Abständen mindestens viermal gemäht werden, um die Pflanzen so zu schwächen, dass sie nicht mehr austreiben können.
23 - Bergmann K.-C., Werchan D., Maurer M., Zuberbier T. 2008: Threshold value for Ambrosia pollen in nasal provocation: patients characterization. Allergo Journal 17: 375-376.
24 - PID – Stiftung Deutscher Polleninformationsdienst 2023: Pollenflugkalender 5.0 für Deutschland 2016–2021: https://www.pollenstiftung.de/pollenvorhersage/pollenflugkalender.html.