Wie wird der hydromorphologische Zustand bewertet?

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Wasserhaushalt, Durchgängigkeit und Gewässerstruktur prägen die Hydromorphologie eines Gewässers.
Quelle: Stephan Naumann / UBA

Um den hydromorphologischen Zustand eines Fließgewässers zu beurteilen, werden Wasserhaushalt, Durchgängigkeit und Gewässerstruktur erfasst und bewertet.

Inhaltsverzeichnis

Wasserhaushalt, Durchgängigkeit und ⁠Gewässerstruktur⁠ werden auch als hydromorphologische Qualitätskomponenten bezeichnet. Sie werden im Rahmen der Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie bewertet und an die EU Kommission berichtet. Durch ihre Bewertung können signifikante Belastungen und Verbesserungsmaßnahmen identifiziert werden. Die Ergebnisse der Bewertung unterstützen die Einstufung des ökologischen Zustands.

 

Wasserhaushalt

Der Wasserhaushalt eines Fließgewässers wird durch viele Aspekte geprägt. Neben Niederschlag, ⁠Verdunstung⁠, Gefälle und Speichervermögen der Böden sind Flächennutzungen im ⁠Einzugsgebiet⁠ und Wasserentnahmen besonders bedeutend. Um die Qualität des Wasserhaushalts bewerten zu können, wird beurteilt, wie intensiv in den Wasserhaushalt des Gewässers und seines Einzugsgebietes eingegriffen wird. Die Intensität dieser Eingriffe wird am potenziell natürlichen Zustand des Wasserhaushalts eingeschätzt. Diese Einschätzung erfolgt auf Basis von Daten oder durch Expertenwissen und wird in 5 Klassen angegeben. Die Spannweite der Klassen reicht vom sehr guten (Klasse 1) bis zum schlechten Zustand (Klasse 5). Angestrebt wird mindestens ein guter Zustand (Klasse 2). Für die Klassifikation werden hydrologisch besonders relevante Eingriffsarten herangezogen. Zu diesen gehören: Nutzungen im Einzugsgebiet, Wasserentnahmen, Wassereinleitungen, Gewässerausbau und Bauwerke im Gewässer, Auenveränderungen und sonstige Belastungen. Es wird auch berücksichtigt, inwieweit das ⁠Ökosystem⁠ in der Lage ist, dem Eingriff zu widerstehen oder diesen zu kompensieren. Das Verfahren, das von der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Wasser entwickelt und zur Anwendung empfohlen wurde, wird auf der Internetseite „gewaesser-bewertung.de“ ausführlich beschrieben.

 

 

 

Durchgängigkeit

Ein naturbelassenes Fließgewässer ist stromaufwärts und -abwärts, aber auch quer zum Strom bis in die begleitenden Auen für wandernde Gewässerorganismen frei passierbar. Zudem fließt das Wasser ungehindert talabwärts und führt feste und gelöste Stoffe mit sich. Diese freie Passierbarkeit wird unter dem Begriff „Durchgängigkeit“ zusammengefasst. Die Durchgängigkeit eines Fließgewässers wird daher anhand der Qualität des Sedimenttransportes und der Fischfauna bewertet.

Sedimente sind beispielsweise Ton, Sand oder Kies, die vom Wasser erodiert, transportiert und temporär oder dauerhaft abgelagert werden. Die Sedimentdurchgängigkeit wird für ⁠Wasserkörper⁠ und für das Gewässersystem bewertet. Ob ein Gewässer für Sedimente durchgängig ist, hängt im Wesentlichen von der Art des Querbauwerks und deren Anzahl in einem Gewässer ab. Die Durchgängigkeit ist umso schlechter, je höher ein Bauwerk ist (zum Beispiel Talsperre gegenüber ⁠Sohlschwelle⁠ ) und je mehr Bauwerke in einem Gewässerabschnitt vorhanden sind. In die Bewertung geht auch ein, ob das Bauwerk beweglich ist und gesteuert werden kann, so dass es zumindest zeitweise durchgängig wird. Die Bewertung erfolgt auf Basis von Daten und durch Expertenwissen und wird in 5 Klassen angegeben. Die Spannweite der Klassen reicht vom sehr guten (Klasse 1) bis zum schlechten Zustand (Klasse 5). Angestrebt wird mindestens ein guter Zustand (Klasse 2). Das Verfahren, das von der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Wasser entwickelt und zur Anwendung empfohlen wurde, ist auf der Internetseite „gewaesser-bewertung.de“ ausführlich beschrieben.

Ob ein ⁠Querbauwerk⁠, ein Wasserkörper oder ein Gewässersystem für Fische passierbar ist, hängt von vielen Faktoren ab. Ein Verfahren zur Bewertung der Durchgängigkeit muss die Ansprüche, die Schwimmfähigkeiten und die Größe der verschiedenen Fischarten berücksichtigen. Es ist nicht nur zu beurteilen, ob die gewässertypischen Arten zu ihrer Wanderzeit flussaufwärts, sondern auch flussabwärts unbeschadet wandern können. Dabei spielen die verschiedenen Arten von Querbauwerken, das Vorhandensein und die Funktionalität von Fischaufstiegsanlagen, Fischschutz- sowie Fischabstiegseinrichtungen eine wesentliche Rolle. Da bislang noch kein bundeseinheitliches Bewertungsverfahren existiert, entwickelt die Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Wassermit Beteiligung des Umweltbundesamtes eine Methodik.

 

Gewässerstruktur

Unter der ⁠Gewässerstruktur⁠ werden alle Ausprägungen des Gewässerbetts, des Uferbereichs und des Gewässerumfelds verstanden, die für die ökologische Funktionsfähigkeit des Gewässers und seiner Auen von Bedeutung sind. Die Qualität der Gewässerstruktur wird ermittelt, in dem die Abweichung der aktuellen Gewässerstruktur von der potenziell natürlichen Ausprägung der Gewässerstruktur erfasst wird. Als potenziell natürlich wird der Zustand bezeichnet, der sich natürlicherweise einstellen würde oder wenn alle Gewässerausbaumaßnahmen rückgängig gemacht würden. Wie ein bestimmter Gewässertyp dann aussehen würde, zeigen die hydromorphologischen Steckbriefe.

Da Bäche, Flüsse und große Ströme auf Grund ihrer sehr unterschiedlichen Größe nicht mit demselben Verfahren kartiert werden können, wurden von der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Wasser zwei Strukturverfahren entwickelt. Mit dem Verfahren für kleine bis mittelgroße Fließgewässer lassen sich bis zu 20 Meter breite Gewässer bewerten; das Verfahren für mittelgroße bis große Fließgewässer dient der Bewertung breiterer Flüsse. Die Bewertung erfolgt in sieben Klassen, wobei die Klasse 1 eine unveränderte und die Klasse 7 eine vollständig veränderte Strukturqualität anzeigt. Erfasst und beurteilt werden bestimmte Strukturelemente wie Strömungsdiversität, Laufkrümmung oder Breitenvarianz, die besonders wichtige Indikatoren für die ökologische Funktionsfähigkeit von Fließgewässern sind. Insgesamt werden mehr als 20 Strukturelemente bewertet und im Ergebnis zu einer Strukturklasse zusammengeführt. Die Datenerhebung erfolgt mit Hilfe eines standardisierten Erhebungsbogens, der am Gewässer von Sachverständigen ausgefüllt wird. Beide Verfahren sind auf der Internetseite „gewaesser-bewertung.de“ ausführlich beschrieben.

Literaturhinweise

  • LAWA (Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft) [Hrsg.] (2014): Klassifizierung des Wasserhaushalts von Einzugsgebieten und Wasserkörpern – Verfahrensempfehlung. b) Hintergrunddokument
  • LAWA (Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft) (2019): Klassifizierung des Wasserhaushalts von Einzugsgebieten und Wasserkörpern – vorläufige Verfahrensempfehlung. a) Handlungsanleitung
  • DHI WASY & Ingenieurbüro Floecksmühle (2019): Bewertung der Durchgängigkeit von Fließgewässern für Sedimente – Verfahrensempfehlung. Anwenderhandbuch. Erstellt im Rahmen des Projektes "Bewertung der Durchgängigkeit von Fließgewässern für Fische und Sedime
  • LAWA (Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft) [Hrsg.] (2019): „Verfahrensempfehlung zur Gewässerstrukturkartierung – Verfahren für kleinen bis mittelgroße Fließgewässer“
  • LAWA (Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft) [Hrsg.] (2019): „Verfahrensempfehlung zur Gewässerstrukturkartierung – Verfahren für mittelgroße bis große Fließgewässer