KM-I-6: Leistung von Schöpfwerken – Fallstudie
Monitoringbericht 2023 zur Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel
Monitoringbericht 2023 zur Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel
Um küstennahe Niederungsflächen insbesondere für die landwirtschaftliche Produktion nutzbar zu halten, ist ergänzend zur Freigefälleentwässerung eine künstliche Entwässerung unter anderem über Schöpfwerke erforderlich. Vor allem bei Starkregenereignissen und Hochwasser, die infolge des Klimawandels häufiger auftreten können, steigen der Entwässerungsbedarf und der Stromverbrauch von Schöpfwerken im Eider-Treene-Verband.
An der norddeutschen Küste prägen Niederungsgebiete das Landschaftsbild ganzer Regionen. Die oft weitläufigen Ebenen sind unter anderem das Ergebnis glazialer Abtragungs- und Formungsprozesse zum Ende der letzten Kaltzeit, als die bis nach Norddeutschland vorgedrungenen Gletscher abschmolzen. Später stand das fruchtbare Tiefland unter kulturhistorischem Einfluss. Auch heute unterliegen die Niederungen einem breiten Spektrum unterschiedlichster Nutzungen: Einige Teilflächen bieten seltenen Tier- und Pflanzenarten Lebensraum und sind für den Naturschutz von herausragender Bedeutung. Darüber hinaus befinden sich in den Niederungsgebieten Siedlungen sowie vereinzelt Industrie- und Gewerbeflächen. Vor allem in Küstennähe gewinnt die Ausrichtung auf den Tourismus zunehmend an Relevanz. Der überwiegende Teil der Niederungsfläche dient derzeit landwirtschaftlichen Produktionszwecken.
Die niedrigen Geländehöhen von meist nur wenigen Metern über dem mittleren Meeresspiegel und ein geringes Gefälle wirken sich maßgeblich auf den Wasserhaushalt und die hydrologischen Verhältnisse in den Niederungsgebieten aus. Um die Bedingungen vor allem für die landwirtschaftliche Flächennutzung zu erhalten oder auch zu verbessern, bedarf es häufig einer ergänzenden künstlichen Entwässerung, wo keine kontinuierliche Freigefälleentwässerung möglich ist. Landwirtschaftliche Flächen können in der Regel Überstaudauern von maximal 14 Tagen tolerieren, bevor mit erheblichen Schäden zu rechnen ist. Zur künstlichen Entwässerung kommen technische Bauwerke wie Siele mit Speicherbecken oder Schöpfwerke zum Einsatz. Letztere heben mithilfe von Pumpen das Wasser auf ein höheres Niveau und ermöglichen so den Abfluss in ein Fließgewässer beziehungsweise ins Meer.
Die Niederungen und der Betrieb von Anlagen zur künstlichen Entwässerung sind von den Folgen des Klimawandels direkt betroffen. Für den norddeutschen Raum ist eine Zunahme der winterlichen Niederschläge sowie der sommerlichen Starkregenereignisse zu erwarten. Mit ihnen steigt die Gefahr von Überschwemmungen. Gleichzeitig erschwert der steigende Meeresspiegel die Ableitung von Wasser in die Nord- und Ostsee. Häufigere und längere Sturmfluten können den Entwässerungsbedarf zusätzlich erhöhen. Durch den häufigeren Betrieb der Schöpfwerke steigt der Stromverbrauch. Zudem steigen die Betriebskosten, wenn die Maschinen länger oder öfter laufen und damit der Verschleiß sowie die Wartungshäufigkeit zunehmen.
In Schleswig-Holstein liegt fast ein Viertel der gesamten Landesfläche unter 2,5 m ü. NN und zählt damit zur Niederungsfläche. Der Großteil davon befindet sich an der Nordseeküste in den Bereichen der Elbmarschen, Dithmarschen, von Eiderstedt und Nordfriesland sowie im Gebiet von Eider, Treene und Sorge. Wiederum mehr als die Hälfte dieser Niederungsflächen wird bereits durch Schöpfwerke entwässert. Ihr Betrieb fällt in den Aufgabenbereich der rund 500 Wasser- und Bodenverbände im Land. Diese sind in Hauptverbänden organisiert, zu denen unter anderem der Eider-Treene-Verband zählt. Er ist mit rund 113.000 ha der flächenmäßig größte Deich- und Hauptsielverband in Schleswig-Holstein. Etwa 50.000 ha des Einzugsgebiets entfallen auf die Niederungsflächen. Die Situation im Eider-Treene-Verband wird beispielhaft für diesen Fallstudien-Indikator thematisiert.
Der Indikator zeigt den jährlichen Stromverbrauch ausgewählter Schöpfwerke innerhalb des Verbandsgebiets pro Hektar. Zusätzlich ist der jährliche mittlere Niederschlag im gesamten Verbandsgebiet abgebildet, da der Entwässerungsbedarf in diesem Raum wesentlich vom Niederschlagsgeschehen abhängig ist. Die Daten machen deutlich, dass die Schöpfwerke in den niederschlagsreicheren Jahren den größten Stromverbrauch aufwiesen: Im Jahr 2007 waren die Schöpfwerke am Nord-Ostsee-Kanal mit rund 64 kWh/ha im Einsatz. Der Sommer 2007 war insbesondere im Norden Deutschlands besonders niederschlagsreich. Die Auslastung der Schöpfwerke an Eider und Treene stieg im Jahr 2017 auf ihren jeweiligen Höchstwert. In diesem Jahr kam es auch zur höchsten Niederschlagsmenge im Verbandsgebiet seit 2005. Einen signifikanten Trend gibt es für keine der Zeitreihen.
Die benötigte Energie der Pumpen hängt allerdings nicht allein von ihrer Betriebsdauer und den hydrologischen Erfordernissen ab. Die Wasser- und Bodenverbände sind bestrebt, möglichst energieeffiziente Pumpen zu betreiben. Technische Verbesserungen zur Erhöhung der Energieeffizienz können den Indikatorverlauf beeinflussen. Zudem nutzen die Verbände die Möglichkeit, unter anderem über eine atypische Netznutzung die Kosten zu senken. Dabei wird beispielsweise auf „Vorrat“ gepumpt, wenn die Stromkosten geringer sind, ohne dass zu diesem konkreten Zeitpunkt eine hydrologische Notwendigkeit für den Pumpenbetrieb besteht. Auch der Wasserstand des wasserabführenden Fließgewässers beeinflusst den Schöpfwerksbetrieb: Steigt der Wasserstand in diesem Fließgewässer zum Beispiel infolge eines Starkregenereignisses zu stark, kann es das gepumpte Wasser aus dem Schöpfwerk nicht mehr abführen. Um eine Kreislaufführung des Wassers zu vermeiden, erfolgt die Einstellung des Betriebs. Im Eider-Treene-Gebiet werden solche Abschaltungen im Hochwasserfall bei knapp der Hälfte der Schöpfwerke praktiziert.
Aufgrund dieser Zusammenhänge sind die Daten zum Stromverbrauch nur mit Einschränkungen im Kontext Klimawandel interpretierbar. Viele Einflussfaktoren wirken in komplexer Weise zusammen. Es ist zudem zu berücksichtigen, dass die Verhältnisse in den jeweiligen Zuständigkeitsbereichen der Schöpfwerksverbände sehr unterschiedlich sein können. Manche Verbandsgebiete sind bereits stärker vom Meeresspiegelanstieg beeinflusst. Vor diesem Hintergrund wird an einer Weiterentwicklung des Indikators gearbeitet. Für die Schöpfwerksverbände und die landwirtschaftlichen Betriebe in den Niederungsgebieten ist die Thematik hoch relevant. Für die Zukunft ist davon auszugehen, dass die vorhandenen Entwässerungsstrukturen an ihre (wirtschaftlichen) Grenzen stoßen werden. Eine Intensivierung und Ausdehnung des Schöpfwerksbetriebs werden unvermeidlich sein, wenn die bestehende Nutzung auf den landwirtschaftlichen Flächen und die bestehenden Infrastrukturen aufrecht erhalten werden sollen.